Wer im Sommer fit sein will für RHÖN 300 und andere Herausforderungen, sollte allerspätestens jetzt mit dem Training bzw. der Trainingsplanung beginnen. Die Zeit des Indoortrainings ist endgültig vorbei, der Frühling ruft nach draußen.

Ein erfolgreiches Rennradtraining basiert – genauso wie bei jedem anderen Ausdauersport – auf einer klaren und vor allem zielgerichteten Strukturierung der Trainingsbelastung. Wer sein Training gezielt planen will, sollte die unterschiedlichen Trainingsbereiche, die sich aus der maximalen Herzfrequenz (maxHF) ableiten lassen, in der Vorbereitung einsetzen. Dabei ist es sinnvoll, die Saison in verschiedene Phasen mit genau definierten Zielen einzuteilen; in der Vorbereitungsphase sollte vor allem an der Grundlagen- und Kraftausdauer gearbeitet werden. Abgesehen von zusätzlichem regelmäßigen Krafttraining sollten beim radsportspezifischen Training grundsätzlich vier Trainingskategorien in das Programm aufgenommen werden:


Trainingskategorien

Basistraining – Grundlagenausdauertraining (GA1 und GA2)

> TRAININGSZIEL: Grundlagentraining zur Verbesserung der aeroben Leistungsfähigkeit und des Fettstoffwechsels
> TRAININGSMETHODE: Bei diesem Training geht es darum, die Grundlagen zu schaffen und den Körper langsam an höhere Belastungen heranzuführen. Zusätzlich sollte die allgemeine Vorbereitungsphase auch dazu genutzt werden, um den Fettstoffwechsel in Schwung zu bringen und die Ausdauer zu verbessern.Dies geschieht durch lange Trainingseinheiten mit 3 bis 4 Stunden Dauer bei einer mittleren Herzfrequenz von 65 bis 75 % der maxHF. Die Trittfrequenz sollte mittel bis hoch sein (90 bis 100 U/min bei mittlerem Gang, der sich locker treten lässt). An Steigungen sollte so gestaltet werden, dass dieselbe Trittfrequenz locker beibehalten werden kann. Das Streckenprofil sollte hauptsächlich eben sein und nur kleine und leichte Steigungen beinhalten.
> BELASTUNGSBEREICH: 65 bis 75 % der maximalen Herzfrequenz.
> UMFANG/DAUER PRO WOCHE: 2–3 mal pro Woche, jeweils 2–5 Std. (je nach Leistungsniveau)


Kraftausdauertraining

> TRAININGSZIEL: Entwicklung der spezifischen Kraftausdauer. Die Herzfrequenz liegt bei 75 bis 85%; Mindestdauer 30 Minuten, Höchstdauer 2 bis maximal 3 Stunden.
> TRAININGSMETHODE: Fahrten in der Ebene mit einer großen Übersetzung und einer Trittfrequenz zwischen 50 und 70 U/min. Durch den erhöhten Tretwiderstand wird die Beinmuskulatur gestärkt. Bei Steigungen bleibst du möglichst im Sattel sitzen, denn dadurch werden auch die passiven Strukturen und die stützenden Muskeln gestärkt.
> BELASTUNGSBEREICH: 75 bis 85 % der maximalen Herzfrequenz
> UMFANG/DAUER PRO WOCHE: 1–2 mal pro Woche, idealerweise 2–3 Std. (je nach Leistungsniveau)

 

Fahrtenspiele

> TRAININGSZIEL: Verbesserung der Kondition und Rennsimulation
> TRAININGSMETHODE: Mit einem Fahrtenspiel (Fartlek-Training) kann man auch allein ein hartes Training in der Gruppe ersetzen oder Rennbelastungen simulieren. Du beginnst z. B. mit 20 Minuten lockerem Basistraining, um die Muskulatur und den Organismus vorzubereiten. Dann folgt eine Periode von 30 Minuten, in der du dem Gelände angepasst die Belastung zwischen sehr anstrengend (z. B. bergauf) und locker (z. B. bergab) variierst. Mit weiteren 20 Minuten Basistraining wird diese Einheit abgeschlossen.
> BELASTUNGSBEREICH: 60 bis 90 % der maximalen Herzfrequenz
> UMFANG/DAUER PRO WOCHE: Einmal pro Woche, 2–4 Std. (je nach Leistungsniveau)

 

Intervalltraining

> TRAININGSZIEL: Verbesserung maximalen Sauerstoffaufnahme und bessere Regeneration
> TRAININGSMETHODE: Hier wechseln sich Be- und Entlastung in regelmäßigen Abständen ab. Du beginnst mit 20 Minuten lockerem Basistraining, um die Muskulatur und den Organismus vorzubereiten. Dann folgt eine Periode von z.B. 10 Minuten, in der du beim Bergauffahren eine Minute maximales Tempo und eine Minute lockeres Tempo abwechselst. Mit weiteren 60 Minuten Basistraining schließt diese Einheit ab.
> BELASTUNGSBEREICH: 60 bis 100 % der maximalen Herzfrequenz
> UMFANG/DAUER PRO WOCHE: Ca. einmal pro Woche, 2–3 Std. (je nach Leistungsniveau)

 

Der Trainingsumfang sollte in der aktuellen frühen Trainingsphase kontinuierlich gesteigert werden, alle 3 bis 4 Wochen um circa fünf bis zehn Prozent. Trainingspausen bzw. Wochen mit geringerem Trainingsumfang sind trotzdem wichtig für die Regeneration und sollten zwischengeschaltet werden. Bei schlechtem Wetter (das hoffentlich nicht so oft auftreten wird), fehlender Zeit bei Tageslicht oder Lust auf andere Sportarten zum Ausgleich gibt es ausreichend Alternativsportarten, die auch für den Radler taugen. Laufen, Schwimmen, Fußball, Tennis, Badminton und Kraftsport etc. sind eine ideale Abwechslung und fördern die allgemeine Physis, sollten jedoch in geringerem Umfang als während des Wintertrainings eingeplant werden.

Noch ein zusätzlicher Tipp: um sicher zu gehen, dass die im Training gesteckten Ziele erreicht werden, ist es für Radsportler auch sinnvoll, sich einer sportmedizinischen Untersuchung inklusive Leistungsdiagnostik bei einem kompetenten Sportmediziner zu unterziehen. Dabei werden die für die Steuerung des Trainings notwendigen Pulswerte ermittelt, welche dann die Grundlage für eine exakte Trainingsplanung und -steuerung bilden. Eine sportmedizinische Untersuchung vor dem Trainingsstart ist außerdem dann anzuraten, wenn vorher kein intensiver Sport betrieben wurde, neu mit dem Training begonnen wird und vor allem, wenn man älter als 45 beim erstmaligen Einstieg in das Training ist. Unabdingbar ist eine sportmedizinische Untersuchung und Beratung, wenn akute oder chronische Grunderkrankungen vorliegen (u.a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Übergewicht, Herzrhythmusstörungen, Gelenk- und Stoffwechselerkrankungen), damit unter Berücksichtigung der Vorerkrankungen gesundheitsfördernd, zielorientiert und ohne Risiko trainiert werden kann.

 

Was ist, wenn ich mein Training nicht nach Plan gestalten möchte oder einfach keinen Tagesablauf habe, der mir ein gezieltes Training ermöglicht?

Über Jahre habe ich nach einem ausgeklügelten Trainingsplan trainiert, GA1, GA2, Kraftausdauer, Intervalltraining…. Dies war während meines Studiums meist noch adäquat umsetzbar, solange ich meine Tage halbwegs flexibel einteilen konnte. Spätestens jedoch mit dem Einstieg in einen Beruf mit umfassenden Arbeitspensum, abnehmender Flexibilität und Umsetzung der Familienplanung wird es dann oft nicht mehr ganz so einfach, einen Trainingsplan zu gestalten, zu planen und im Alltag strikt durchzuziehen. Außerdem – selbst wenn alles machbar ist, wenn man sich strikt an einen Trainingsplan hält und diesem oberste Priorität einräumt – wer will sich denn immer dann aufs Rad schwingen, wenn Familie und Freunde auch einmal anderes mit einem planen möchten? Und wer will schon immer Grundlage fahren, wenn der Trainingsplan es vorsieht, aber im Training ein anderer Radler an einem vorbeizieht und plötzlich akut der Wettkampfgeist geweckt wird? Dann muss man einfach manchmal raus aus dem Sattel, auch wenn der Trainingsplan anderes vorsieht. Zudem stellt sich ohnehin die Frage, ob es denn wirklich notwendig ist, nach einem festen Trainingsplan mit eingeteilten Intervallen und Intensitäten zu trainieren oder ob es auch Alternativen gibt, um das Trainings- bzw. Wettkampfziel zu erreichen.

Und ja – es geht: mit einer gewissen Hartnäckigkeit auf der einen und Flexibilität auf der anderen Seite lassen sich auch ohne einen festen Trainingsplan die gesteckten Ziele gut erreichen. Wichtig ist dabei, dass trotzdem die Intensitäten und Trainingslängen zeitlich variieren, damit alle Trainingsbereiche gut abgedeckt sind; das lässt sich aber auch ohne einen festen Zeitplan und ohne gezielte Pulssteuerung erreichen. Schlussendlich gibt der Erfolg einem Recht: und der besteht nicht nur in der erfolgreichen Absolvierung von Wettkämpfen, sondern vor allem darin, dass man Spaß hatte und die Saison genießen konnte.

Und letztendlich: Was ist der Unterschied zwischen einem Radprofi und einem Hobbysportler? Der Profi hat kein Hobby mehr! Wir haben in der Regel einen Beruf und brauchen den Radsport für den Ausgleich. Klar – Ehrgeiz ist unabdingbar für den Wettkampferfolg und auch für den Spaß am Wettkampf, wir sollten uns aber nicht unnötig unter Druck setzen, sondern unsere Ausfahrten auch weiterhin genießen können.

 

In diesem Sinne – Kette rechts!

Eure Sabine